Eigenleistung bei Versicherungsschäden: Rahmenbedingungen, Erstattung und der angemessene Stundenlohn
Bei Schäden an Gebäuden zählt oft jede Minute. Werden sie nicht rechtzeitig behoben, kann das schwere Folgen haben: Bei einem Wasserrohrbruch kommt es zum Beispiel vor, dass Wasserschäden sich in der Wand ausbreiten und Schimmel verursachen. Deshalb kommt es Hausbesitzern bisweilen in den Sinn, den Schaden in Eigenleistung zu beheben und später bei der Gebäudeversicherung die Kosten einzufordern. Tatsächlich ist es möglich, für selbst veranlasste oder sogar persönlich durchgeführte Maßnahmen eine Erstattung von der Versicherung zu erhalten. Jedoch gibt es dabei einiges zu beachten, damit die Eigenleistung korrekt abgerechnet werden kann.
Eigenleistungen sind eine freiwillige Leistung des Versicherungsnehmers
Der Versicherer kann Sie nicht dazu verpflichten, Schäden selbst zu beheben. Führen Sie Arbeiten selbst aus, anstatt professionelle Handwerker damit zu beauftragen, steht Ihnen also eine Entschädigung für Zeit- und Materialaufwand zu. Dabei ist es genau wie bei professionell ausgeführten Arbeiten wichtig, Arbeitsleistung und entstandene Kosten nachzuweisen und einen angemessenen Stundensatz zu berechnen.
Zu diesem Zweck sollte vor Beginn eigener Reparaturen unbedingt eine Meldung bei der zuständigen Versicherung erfolgen. Dokumentieren Sie sämtliche Schäden mit Fotos aus mehreren Blickwinkeln, um Nachweise erbringen zu können. Im Falle von Schäden am Gebäude selbst ist die Wohngebäudeversicherung für die Erstattung zuständig, bei beschädigten Möbeln oder sonstigen Gegenständen innerhalb der Wohnung hingegen die Hausratversicherung.
In der Regel wird die Versicherung auf Ihr Anliegen reagieren, indem sie ein Gutachten durch einen entsprechend geschulten Mitarbeiter veranlasst. Dieser beurteilt den Schadenswert und klärt mit Ihnen, welche Reparaturen die Versicherung als nötig ansieht und zu bezahlen bereit ist. Einige Versicherer bieten Versicherungsnehmern die Option, selbst einen Gutachter zu wählen; dies ist in der Regel von Vorteil für den Geschädigten, die Kostendeckung hängt jedoch von vertraglichen Regelungen ab.
Vorsicht ist hingegen geboten, wenn die Schadenregulierung an ein externes Regulierungsbüro ausgelagert werden soll: Solche Unternehmen sind der Versicherung gegenüber weisungsgebunden und beurteilen den Schadenswert daher zu deren Gunsten. Dazu gehört in den meisten Fällen eine Abrechnung der Eigenleistung zu einem stark reduzierten Stundensatz. Ist dies der Fall, sollten Entscheidungen des Regulierungsbüros stets kritisch hinterfragt und gegebenenfalls im Sachverständigenverfahren oder mithilfe eines Anwalts geklärt werden. Vgl. Sachverständigenverfahren Versicherung.
Was zahlt die Versicherung bei Eigenleistung?
Generell zahlen Wohngebäudeversicherung und Hausratversicherung jedoch nicht für die Arbeitszeit an sich, sondern sie ersetzen den Wiederherstellungswert. Darunter versteht man den Kostenaufwand, der nach Ansicht eines Sachverständigen notwendig wäre, um das versicherte Objekt wieder in den Zustand vor Eintreten des Schadens zu versetzen oder angemessenen Ersatz zu beschaffen, falls dies nicht möglich ist.
Nach Brand-, Sturm- oder Wasserschäden zahlt die Gebäudeversicherung folglich den Betrag, den Fachhandwerker für die Beseitigung aller entstandenen Schäden in Rechnung stellen würden. Dabei spielt es prinzipiell keine Rolle, wen Sie beauftragen, solange das Geld tatsächlich für Reparaturen aufgewendet wird und nicht in die eigenen Taschen fließt. Aber was, wenn Sie die Arbeiten selbst oder gemeinsam mit Bekannten und Nachbarn ausführen?
Welchen Stundenlohn / Stundensatz kann ich bei einem Versicherungsschaden angeben?
Der Bundesgerichtshof hat 2011 folgendermaßen entschieden: Der Wohngebäudeversicherung darf kein Vorteil daraus entstehen, dass Arbeiten am Haus vom Versicherungsnehmer selbst geleistet werden. Welcher Stundensatz Ihnen bei Eigenleistung zusteht, hängt folglich davon ab, welchen Betrag ein Fachhandwerker in derselben Region für eine Stunde Arbeit in Rechnung stellen würde. Es lohnt sich also, Kostenvoranschläge für Arbeiten einzuholen, auch wenn Sie diese schlussendlich selbst ausführen wollen. Im Klartext: Würden Handwerker aus dem Ort im Durchschnitt einen Stundenlohn von 50 € netto für die Beseitigung eines Wasserschadens verlangen, wäre dieser Betrag auch angemessen, wenn Sie die Arbeit selbst ausführen. Beachten Sie dabei jedoch, dass nur ein selbstständiger Fachhandwerker Umsatz- und Mehrwertsteuer für seine Arbeit berechnen darf. Haben Sie einen eigenen Handwerksbetrieb, ist es allerdings selbstverständlich auch für Arbeiten am eigenen Haus möglich, entsprechende Aufschläge abzurechnen.
Um Ihre Eigenleistung bei der Gebäudeversicherung nachzuweisen und zu berechnen, dokumentieren Sie diese in Ihrer Aufstellung möglichst genau: Notieren Sie Ihre Arbeitszeiten, sämtliche ausgeführten Arbeiten und die jeweils dafür aufgewendete Zeit. Denken Sie daran, dass Sie alles in Rechnung stellen können, das auch ein Handwerker Ihnen berechnen würde. Müssen Sie beispielsweise aufräumen und Möbel verschieben, um einen Wasserschaden mit einem Bautrockner trocknen zu können, sind die dafür aufgewendeten Stunden häufig ebenfalls als Arbeitszeit anrechenbar. Eine Abnahme der ausgeführten Arbeiten durch einen fachkundigen Handwerker mit Meisterbrief oder einen Sachverständigen kann Ihrem Wort beim Versicherer zusätzliches Gewicht verleihen, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Sollten Sie dennoch wünschen, dass ein Fachmann Ihre Arbeit in Augenschein nimmt, unterstützen wir Sie gerne dabei, Kontakt zu erfahrenen Sachverständigen zu finden.
Die Versicherung erkennt meine Eigenleistung nicht an – was tun?
Oft kommt es vor, dass Gebäudeversicherung und Hausratversicherung nicht bereit sind, den vollen Wiederherstellungswert auszuzahlen, wenn Arbeiten anteilig oder komplett in Eigenleistung ausgeführt werden (siehe auch: Versicherung zahlt nur Teilbetrag). Die Versicherungen begründen diese Entscheidung meist damit, Schwarzarbeit verhindern zu wollen – schließlich können sie nicht nachvollziehen, ob die Leistungen selbst, mithilfe von Bekannten oder unter der Hand von bezahlten Schwarzarbeitern erbracht wurden. Dieses Argument mag zwar für den Laien schlüssig klingen, jedoch ist es nicht Aufgabe der Versicherung, Schwarzarbeit zu verhindern.
Neben dem Urteil des Bundesgerichtshofs belegt dies auch eine Entscheidung des Ombudsmanns für Versicherungen aus dem Jahre 2007, in der es heißt, die Neuwertdifferenz (Wiederherstellungswert) sei unabhängig von den tatsächlichen Ausgaben anhand des Gutachtens festzulegen.
Dennoch ist es leider so, dass in der Regulierungspraxis häufig nur 10 EUR Stundenlohn, maximal vielleicht noch 15-20 EUR Stundensatz von Versicherern für Eigenleistungen angeboten / bezahlt werden. Also eben nicht die z.B. 50 EUR, die kalkuliert und bezahlt werden, wenn ein Sanierungsunternehmen die Arbeit durchführt, die Sie in Eigenleistung erbringen wollen oder erbracht haben. Höhere Ansprüche als die 10-20 EUR Stundenlohn müssen Sie ggf. auf dem Rechtsweg durchzusetzen versuchen. Sehr informativ dazu ist das folgende Youtube-Video:
Will die Versicherung Sie mit weniger als der für die ausgeführte Eigenleistung marktüblichen Summe abspeisen, können Sie daher Einspruch dagegen erheben. Ein Anwalt unterstützt Sie bei den Verhandlungen mit Ihrer Versicherung und berät Sie über die Erfolgsaussichten weiterer Maßnahmen wie eines Ombudsmannverfahrens. Bei Bedarf vermitteln wir Sie gerne an Fachanwälte mit Erfahrung in der Problematik.
Eigenleistung, Versicherung, Stundenlohn > Quellen:
- youtube.com/watch?v=OgITGUH2Y1M
- youtube.com/watch?v=mDtvGmbd7tQ
- experto.de/praxistipps/wie-sind-bei-der-gebaeudeversicherung-eigenleistungen-abzurechnen.html
- schadenforum.de/eigenleistungswert
- v-aktuell.de/newsletter/info-verteiler-juli-2017/entschaedigung-der-eigenleistungen.html
- ra-schmaler.de/index.php/entscheidungen/25-immobilienrecht/35-auch-eigenleistung-ist-geld-wert-bgh-entscheidung-gebaeudeversicherer-muss-eigenleistung-als-geldwerte-leistung-anerkennen
- versicherungsombudsmann.de/entscheidungen/empfehlung_13625_2006_k/