Bei Versicherungsschäden spielen Gutachten eine wichtige Rolle. Viele Schadensachbearbeiter beginnen die Regulierung erst dann, wenn ein Gutachten vorliegt. Neben der Schadenshöhe soll das Gutachten auch eine verbindliche Aussage zur Schadensursache machen. Lehnt die Versicherung einen Schaden ab, bezieht sie sich in vielen Fällen auf ein Gutachten. Ein Sachverständiger entscheidet deshalb maßgeblich mit, ob der Geschädigte sein Geld von der Versicherung bekommt. Bei Versicherungsschäden an Gebäuden trifft das Sachverständigengutachten darüber hinaus Aussagen zum Umfang der erforderlichen Aufgaben bei der Bausanierung.
Die Versicherung möchte die Kontrolle über die Kosten bei einer Schadensregulierung behalten. Für den Versicherer ist wichtig, wie viel Geld sie im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen für Schäden auszahlt. Diese Schadenquote ist der Maßstab dafür, ob mit einem Versicherungsprodukt Gewinne erwirtschaftet werden oder nicht. Das Gutachten der Versicherung hat im Schadenfall unnötige Kosten zu vermeiden. Was unnötige Kosten sind, das entscheidet also der Versicherer.
Mit einem eigenen Gutachten kann der Versicherungsnehmer erkennen, ob bei der Schadensregulierung seine vertraglichen Ansprüche oder die wirtschaftlichen Ziele der Versicherung im Vordergrund stehen. Lohnt es sich, Widerspruch gegen das Gutachten der Versicherung einzulegen und ein Gegengutachten erstellen zu lassen?
Das Gutachten: was es enthält und warum es wichtig ist.
Nach einem großen Schaden, etwa einem Hausbrand beauftragt die Versicherung einen Gutachter. Zusammen mit dem Auftrag für die Begutachtung des Schadens erhält der Sachverständige eine Kopie des Versicherungsscheins. Das Versicherungsgutachten soll vor allen Dingen jene Fragen beantworten, die der Versicherer hat. Zunächst muss die Ursache des Schadens zweifelsfrei festgestellt werden. Die Versicherung möchte dann wissen, ob die Entstehung des Feuers auf fahrlässiges Handeln zurückzuführen ist. Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Versicherte seine Sorgfaltspflichten nicht erfüllt hat. So ist es, wenn eine Kerze unbeaufsichtigt in der Wohnung brennt oder die unterlassene Reinigung des Schornsteins einen Kaminbrand begünstigt.
Der Gutachter prüft ebenso, ob die Ursache des Schadens der versicherten Gefahr entspricht. Ein Feuer mit einer offenen Flamme ist versichert. Ein Schwel- oder Schmorbrand ist es u.U nicht. Das ist fatal, wenn ein solches Brandereignis tragende Holzbauelemente eines Hauses beschädigt.
Bei einem Leitungswasserschaden ist wichtig zu wissen, wo das Wasser herkommt. Bricht eine Wasserleitung, ist der Schaden versichert. Dringt von außen Schmelzwasser durch das Dach, so ist die entstandene nasse Wand nicht versichert.
Wenn der Gutachter eine Unterversicherung feststellt…
Der Versicherungsgutachter prüft ebenfalls, ob die Versicherungssumme ausreichend hoch ist. In der Hausratversicherung werden Versicherungssummen festgelegt. Diese stellen in der Regel den höchstmöglichen Betrag der Entschädigung dar. Das heißt aber nicht, dass dieser Betrag tatsächlich ausgezahlt wird bzw. werden kann, denn es kann auch eine sogenannte Unterversicherung vorliegen. Was ist das genau? – Wenn Sie ein großes Einfamilienhaus bewohnen, mit z.B. 200 m² Wohnfläche, und eine Hausratversicherung über eine Versicherungssumme von z.B. 40.000 EUR abschließen, ist das in der Regel zu wenig. Denn: Wenn das ganze Haus abbrennt oder ein massiver Wasserschaden beide Etagen unter Wasser setzt, dann sind 40.000 EUR üblicherweise nicht ausreichend, um alle Schäden am Inventar abzudecken. Sie sind/wären also “unterversichert”. Die verschiedenen Versicherungsgesellschaften für Hausratversicherungen kalkulieren in den meisten Fällen, dass man 500-750 EUR pro Quadratmeter Wohnfläche als Versicherungssumme braucht. Nehmen wir beispielhaft 650 EUR / m², dann müsste bei dem 200m²-Haus für die Hausratversicherung eine Versicherungssumme von 130.000 EUR abgeschlossen sein. Haben Sie jetzt aber nur 40.000 versichert, sprich nur rund 30%, dann kann es sein, dass die Versicherung bei einem Schaden die Zahlung um 70% kürzt. D.h. am Beispiel: Sie haben einen “kleineren” Wasserschaden im Bad, dessen Behebung 10.000 EUR kostet. Es kann Ihnen dann passieren, dass die Versicherung die Zahlung um 70% kürzt wegen Unterversicherung, d.h. Sie nur 3.000 EUR Kostenübernahme bekommen – obwohl Sie eine Versicherungssumme von 40.000 EUR abgeschlossen haben. – Das ist verwirrend und in der Situation fies. – Damit Ihnen das nicht passiert, können Sie eine ausreichend hohe (bzw. von der Versicherung vorgegebene) Versicherungssumme versichern und sich dann einen Vertrag mit “Unterversicherungsverzicht” (“Unterversicherungsverzichtklausel”) sichern. Haben Sie dies nicht, wird der Gutachter der Versicherung im Rahmen der Schadensbegutachtung eben auch auf Unterversicherung prüfen.
Was alles im Gutachten steht…
Die Feststellungen des Gutachters werden mit Schadensbildern, Messungen und sachkundigen Einschätzungen belegt. In den Anlagen findet der Versicherer zum Beispiel Anschaffungsbelege der beschädigten Sachen oder Kopien von Bauunterlagen. Das Sachverständigengutachten soll eine klare Struktur haben und alle Fragen des Auftraggebers, also der Versicherung, beantworten.
Der Schadensachbearbeiter wird sich bei seiner weiteren Bearbeitung auf dieses Gutachten stützen. Schäden, die dort nicht erwähnt sind, finden keine Beachtung. Sie fallen jedoch manchmal erst nach dem Beginn der Sanierungsarbeiten auf. Ihre Zugehörigkeit zum Schaden muss vom Geschädigten bewiesen werden. Die Sachverständigen der Versicherungen stehen oftmals unter Zeitdruck. Im Schnellverfahren werden Reparaturkosten hochgerechnet und Versicherungswerte ermittelt. Dabei können Fehler passieren. Die Versicherung erhält von ihrem Sachverständigen ein Gutachten, das zuvorderst ihren Anforderungen entspricht.
Gute Gründe, ein Gegengutachten erstellen zu lassen.
Es gibt mehrere wichtige Gründe, ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Das eigene Gutachten ist wichtig für die Beweissicherung (vgl. auch das Beweissicherungsverfahren am Bau). Bei einer späteren Anfechtung des Versicherungsgutachtens oder in einer Verhandlung vor Gericht hat das Gegengutachten Beweiskraft. Die Versicherung kann es nicht einfach ignorieren, das Gericht muss es als Sachvortrag anerkennen.
Wenn die Sanierungsarbeiten nicht fachgerecht ausgeführt werden, können Baumängel auftreten. Bei der erforderlichen Nachweisführung hilft dieses Gutachten, den Ausgangszustand vor der Sanierung beweiskräftig klarzustellen.
Die Versicherungen beauftragen ab einer bestimmten Schadenshöhe einen Gutachter. Diese Kosten müssen von der Versicherung auch/zusätzlich getragen werden. Aber die Versicherung sagt sich auch: Der Gutachter rechnet sich, wenn/weil er die Kosten gering hält. Das muss man als Geschädigter immer im Kopf behalten: der Gutachter der Versicherung ist kein Freund, sondern verfolgt primär Auftrag und Interessen seines Auftraggebers, hier der Versicherung. Und so kann es nicht nur sein, sondern kommt in der Praxis auch regelmäßig vor, dass der Gutachter den Schaden “kleinrechnet” und manche Sachen nicht berücksichtigt, die eigentlich berücksichtigt gehören.
Der Geschädigte kann hierauf die passende Antwort geben. Sein Gegengutachten wird Kosten geltend machen, die der Versicherer bisher nicht berücksichtigt hat. Das Gegengutachten ist sein Geld wert, denn es stellt die berechtigten Ansprüche des Versicherten der Kostenoptimierung des Versicherers entgegen.
Ein Versicherungsschaden geht mit seinen Kosten über die Aufwendungen für Sanierung und Wiederherstellung hinaus. Der Versicherte hat weitere Ansprüche. Mehrkosten, die im Zusammenhang mit der Schadensanierung stehen, sollten ebenfalls erstattet werden. Welche das genau sind, steht in den Versicherungsbedingungen.
Kosten, zu deren Erstattung der Geschädigte nicht nachfragt, werden nicht automatisch erstattet. Ob die Schäden und Aufwendungen, die im Versicherungsgutachten stehen, korrekt ermittelt wurden, kann ein Gegengutachten feststellen. Es hilft dem Auftraggeber, seine Rechte zu wahren. Es achtet darauf, dass dem Anspruch „Wiederherstellung nach gleicher Art und Güte“ vollumfänglich Genüge getan wird. Anderenfalls erleidet die Immobilie des Geschädigten einen Wertverlust.
Der Versicherte kann darauf achten, dass ein Sachverständiger mit geeigneter Qualifikation das eigene Gutachten anfertigt. Bei Gebäudeschäden sind Qualifikation und Erfahrung sehr wichtig. Kenntnisse von den Baustoffen und ihrem Verhalten in Belastungssituationen sind für die Bewertung von möglichen Folgeschäden unerlässlich. Steht etwa Wasser im Keller, kommt oft mehr als eine Ursache für den Schaden in Betracht. Eine fundierte Expertise ist außerdem der Schlüssel zur korrekten Vergabe der Sanierungsarbeiten.
Widerspruch gegen das Versicherungsgutachten einlegen.
Ob das Versicherungsgutachten von einem Fachmann für Bauschäden erstellt wurde, kann der Geschädigte nicht wissen. Wird das Gutachten der Gebäudeversicherung zum Grund für die Ablehnung der Regulierung, sollte der Versicherte genau hinsehen. Ein Beispiel: Bei Hochwasser nach einem Starkregen drückt Wasser in den Keller. Erstaunlich schnell befindet der Versicherungsgutachter, dass Grundwasser nach oben durch die Bodenplatte gedrückt ist (vgl. Keller feucht durch Grundwasser). Möglich wäre aber auch gewesen, dass die Überschwemmung dafür gesorgt hat, dass die Bodenplatte durchnässt ist. Die richtige Ermittlung der Schadensursache entscheidet darüber, wer die Kosten dafür trägt, den Kellerboden und Keller zu trocknen. Entweder der Geschädigte selbst oder seine Elementarschadenversicherung.
Nach einer Ablehnung oder begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des Versicherungsgutachtens sollte unverzüglich ein Widerspruch durch den Versicherten erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt werden Form und Fristwahrung der Einwände gegen die Entscheidung des Versicherers wichtig. Deshalb ist es ratsam, einen Anwalt mit dem Widerspruch zu betrauen. Der Anwalt wird die Einrede des Grundwasserschadens infrage stellen und auf die anderen Möglichkeiten zur Schadensentstehung verweisen. Der Anwalt fordert vom Gebäudeversicherer alle Unterlagen zum Schaden an, folglich auch das Gutachten.
Um den Widerspruch sachkundig begründen zu können, sollte man zügig ein Gegengutachten erstellen lassen. Der eigene Sachverständige führt Untersuchungen zum Schaden, seiner Ursache und möglicher Folgen durch. Weiterhin kann er das Versicherungsgutachten im Hinblick auf Fehler in der Plausibilität und der Untersuchungsmethodik untersuchen, um es zu entkräften.
Wenn ein Sachverständiger des Versicherten in seinem Gegengutachten die Kosten für die Gebäudetrocknung höher ansetzt als die Gebäudeversicherung, muss diese Sache geklärt werden. Auch hierbei geht es um den Schutz vor Folgeschäden; wir vermitteln bei Bedarf qualifizierte Bautrocknung Firmen.
Bei einer Kürzung der Schadenszahlungen wegen einer Unterversicherung wird das Gegengutachten Aufschluss über den tatsächlichen Wert der versicherten Sachen geben.
Der qualifizierte Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung des Versicherers und die sachkundige Entkräftung des Versicherungsgutachtens (siehe auch: Gutachten anfechten) sind der erste Schritt zur Durchsetzung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag.
Das Gegengutachten sichert Wertstabilität und schafft Rechtssicherheit.
Die Begutachtung des Schadens ist von so großer Bedeutung, dass sie nicht allein dem Versicherer überlassen werden sollte. Der Versicherungsgutachter soll die Versicherung dabei unterstützen, die Kosten für Schadenaufwendungen gering zu halten. Nur ein selbst beauftragtes Gegengutachten kann die Wahrung der eigenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vollumfänglich gewährleisten. Ein Sachverständiger, den der Versicherungsnehmer beauftragt hat, vertritt dessen Ansprüche und Interessen.
Der Auftraggeber übernimmt für das Gegengutachten die Kosten. Das Gutachten sichert im Gegenzug den Wert seiner Immobilie, eines großen materiellen Besitzes. Bei Auseinandersetzungen mit der Gebäudeversicherung über z. B. die angemessene Dauer der Bautrocknung hilft es, Ansprüche durchzusetzen. Wenn die Versicherung der Meinung ist, der Sturmschaden am Dach sei mit dem Austausch einiger Dachziegel behoben, begründet ein Anwalt mittels Gegengutachten weitergehende Aufwendungen. Die auf Kosteneinsparung bedachte Versicherung zögert keinen Moment, einen Gutachter zu beauftragen. Wenn deren “Einsparungen” zu weit gehen, ist es Zeit, die eigenen Ansprüche mit Fachanwalt und Sachverständigen durchzusetzen!
Versicherungen haben einen langen Atem, wenn es darum geht, Leistungsansprüche abzuwehren. Davon sollten Sie sich jedoch nicht einschüchtern lassen, sondern sich professionelle Unterstützung holen. Das Einschalten eines Anwalts und eigener Sachverständige erzeugt Gegendruck, und beschleunigt die Regulierung oftmals sehr.
Wir unterstützen Versicherungsnehmer in Schadenssituationen mit Gutachtern und Rechtsanwälten. Nutzen Sie unsere Unterstützung – werden Sie jetzt Mitglied bei der Deutschen Schadenshilfe.